Bischofferode
Direkt zum Seiteninhalt
Geschichte


Untergang des Kaliwerkes                                                  
Heute ist das Kaliwerk, dass für über 80 Jahre Bischofferode sehr stark prägte, geschlossen. Aber warum? Schließlich stellte sogar Gregor Gysi im „Neuen Deutschland“ fest: „Das Bischofferöder Kali war von der Art, dass kanadische Fabriken daraus mit einem billigeren als dem bei der BASF Kali&Salz AG üblichen Verfahren Dünger herstellen konnten - und wollten. Letztere hatten jedoch die ostdeutschen Gruben von der Treuhand zugeschanzt bekommen - um sie sogleich zu schließen und sich damit einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, wozu sie auch noch einen "Verlustausgleich" in Höhe von 1,04 Milliarden Mark einstrichen.“

Folgendermaßen kam es trotzdem zur Schließung:

Im Jahre 1992 wurde der Beschluss gefasst, das Kaliwerk in Bischofferode zu schließen. Dies sollte etwas in Gang setzten, was die Wochenzeitung „Freitag“ noch heute als den „härtesten Arbeitskampf, den das Land je erlebt hat" bezeichnet. Der Beschluss wurde im Zuge der Fusion der Mitteldeutschen Kali AG (MdK) mit der Kali und Salz AG, einer Tochterfirma von BASF, beschlossen, wobei die Grube zu der MdK gehörte. Das Werk in Bischofferode sollte geschlossen werden, um die Wettbewerbsbedingungen der Kali und Salz AG zu verbessern, man wollte sein Monopol um jeden Preis behalten. Später wurden unzureichende Auslastung und Verluste als Schließungsgründe angegeben, was vollständig erlogen war, der Treuhand-Manager Klaus Schucht erklärte später in einem Spiegelinterview, dass dies für die Betriebe im Westen von besonderer Wichtigkeit war, denn wie hätte man weitere Veränderungen bei Arbeitsplätzen im Osten durchsetzten können, wenn man hier versagte?

Als die damals 700 Mitarbeiter von den Plänen erfuhren, waren alle anfangs geschockt, aber schon bald liefen die ersten Protestaktionen an, es nahmen teilweise bis zu 15.000 Menschen daran teil. Es wurden in ganz Deutschland Unterschriften gesammelt, es gab Kundgebungen und Demonstrationen. Die Kalikumpel forderten, dass das Werk aus dem Fusionsvertrag herausgelassen werde, also privatisiert werde. Die Einzelprivatisierung war nämlich nicht öffentlich ausgeschlossen worden. Schon bald fand sich sogar ein westfälisches Unternehmen, welches bereit war, das Werk zu übernehmen, aber man war natürlich am Monopolerhalt interessiert, das Geschäft wurde schon im Keim erstickt.

Trotz dieses herben Rückschlages waren die Arbeiter immer noch bereit, um ihre Arbeitsplätze zu kämpfen. So schickte man im Januar 1993 eine Delegation zu der Gewerkschaft in Erfurt, sie solle ein unabhängiges Gutachten über die Wettbewerbsfähigkeit erstellen. In Erfurt hatte man jedoch nur Spott und Hohn für die Bergmänner übrig, sie kamen mit leeren Händen wieder zurück. Während anfangs noch gearbeitet wurde, fingen im Zuge der sich immer mehr verschärfenden Streiksituation einige Arbeiter damit an, die Nahrungsaufnahme zu verweigern. Der Grund für diese extreme Ausweitung der Proteste war der Beschluss des Bundestages, welcher der Kali-Fusion grünes Licht gab. Dadurch, dass die Kalikumpel nun auch ihr Leben für ihren Arbeitsplatz einsetzten, rückte der Protest nun auch in das Blickfeld der Medien.

Unter den zeitweise 40 Hungerstreikenden befanden sich nicht nur Arbeiter des Werkes, sondern auch einige Sympathisanten. Trotz des Besuches zahlreicher Politiker und des massiven Medienaufgebotes kam es zu keiner Änderung der Situation, die korrupten Führer der Gewerkschaften IG Bergbau und Energie sowie IG Chemie und die als Provokateure eingesetzten Zivilpolizisten taten ihr übriges, beziehungsweise versuchten es.

Am 31. Dezember 1993 kam es schließlich trotz alledem zur Schließung des Kaliwerkes in Bischofferode. Grund dafür war die Bewilligung der Fusion durch den europäischen Wettbewerbskommissars, welcher diese kartellrechtlich geprüft hatte. Dadurch dass der Fusion nun nichts mehr im Wege stand, bröckelte die Front der Widerständler langsam, sie hatten den Kampf verloren, der Hungerstreik, der Besuch beim Papst und der Marsch nach Berlin vor die Treuhandanstalt waren nutzlos gewesen. Man hatte allein durch den Verkauf von „Bischofferode ist überall“ T-Shirts 500.000 DM erhalten, das Geld wurde letztendlich für ein Vereinshaus ausgegeben, in dem sich auch heute noch ein Museum befindet.

Als Ausgleich, wurde den Arbeitern von vielen Politikern versprochen, würde man neue Arbeitsplätze in Bischofferode schaffen, wovon heute allerdings immer noch nicht viel zu sehen ist. Insgesamt 70 der ehemaligen Kalikumpel sind mit Verfüllungs- und Sicherungsarbeiten in der Grube beschäftigt, wenige arbeiten in den wenigen Betrieben im neuen „Gewerbegebiet“, viele sind weggezogen oder arbeitslos. Heiner Müller schrieb „Die Arbeitslosigkeit geht durchs Land als ein neues Regime der Furcht, das keine Stasi braucht, um die Menschen einzuschüchtern“; in Bischofferode versuchte man dagegen anzukämpfen, aber schließlich hat sich diese Prognose für viele doch erfüllt.


www.hungerstreik-kaliwerk.de





Zurück zum Seiteninhalt